4. Adventsonntag   24. Dezember 2023

 

Die Texte des heutigen Tages könnten wir mit einer Grundaussage zusammenfassen: Gott will in und mit den Menschen wohnen.  David, der große König Israels hat dies bereits gefühlt und in die Tat umgesetzt.

Er will den Tempel bauen, er kann es nicht zulassen, daß er selbst in einem Palast, die Bundeslade Gottes, jener Ort also, wo für die gläubigen Juden Gott gegenwärtig war in seinem Wort, nur in einem Zelt wohnte. Und so gibt er den Auftrag zum Tempelbau. Paulus nennt Gott »den, der die Macht hat, euch Kraft zu geben«, und stimmt einen Lobpreis auf den einen weisen Gott an, auf jenen Gott, dem eine Wohnstatt errichten werden soll. 

Aber der Tempel des neuen Bundes sieht anders aus. Da gibt es kein gemauertes Haus mehr, in dem Gott wohnen möchte. Da gibt es keinen Baumeister mehr, der den Tempel fein und genau planen muß. Da gibt es eine junge Frau aus Nazaret, eine Frau, deren Herz schon lange für Gott schlägt. Aus außerbiblischen Schriften können wir hören, dass sie sich schon lange ganz dem Willen Gottes anvertraut hatte, sich zur Tempeljungfrau geweiht hatte, wobei wir heute nicht mehr genau wissen, was dies alles zu bedeuten hatte. 

Wichtig ist aber: Maria war bereit, alles aus Gottes Hand zu empfangen. 

Und nun beginnt Gott bei ihr und mit ihr mit dem Tempelbau des Neuen Bundes. Sie soll das Wort Gottes aufnehmen, sie soll Mutter des Gottessohnes werden, wie einst die Bundeslade, der Ort des Gotteswortes Heimstatt gefunden hatte im großen mächtigen Tempel in Jerusalem.

 Mit diesem Neubeginn, den Gott in Maria setzt, zeigt er uns den Plan mit seiner Welt und mit uns: Kein gemauertes Haus kann Gott fassen und aufnehmen. Wir selbst sollen seine Heimat und Wohnstatt sein. Wir als einfache, oft schwache, oft auch zu bösem Tun bereite Menschen sind von Gott auserwählt, seine Wohnung zu sein. 

Dies erinnert mich an eine Erzählung, wie es denn zur Menschwerdung des Gottessohnes gekommen sei. Unser Herr Erzbischof hat diese Geschichte einmal bei einer Jugendmesse in Wien erzählt.

So soll es vor allen Zeiten, lange vor dem Entstehen unserer Welt zu einem Zwiegespräch zwischen Gott Vater und Gott Sohn gekommen sein.

Der Sohn spricht den Vater an und sagt: „Vater, ich weiß, daß wir die Welt erschaffen wollen, es werden Tiere, Pflanzen, vor allem aber Menschen dort sein. Doch diesen Menschen haben wir den freien Willen gegeben. Sie werden sich auch gegen uns entscheiden. Ich möchte sie aber wieder zu uns zurückbringen. Ich möchte ihnen den richtigen Weg zeigen und ihnen helfen, alles wieder gut zu machen, was durch eigenes Tun schlecht geworden ist.

Laß mich selbst ein Mensch werden auf dieser Erde!“

Der Vater entgegnet ihn: „Aber dir wird es nicht gut ergehen auf der Erde. Schon bei deiner Geburt wirst du die ganze Heimatlosigkeit und Verlassenheit der Menschen zu spüren bekommen. Willst du trotzdem Mensch werden?“

Der Sohn bejaht aus vollem Herzen: „Ja Vater, trotzdem, oder gerade deshalb will ich Mensch werden“

Der Vater fährt fort: „Sie werden dich eine Weile lang umjubeln, dann aber wirst du geschmäht und verleumdet, sogar deine engsten Freunde, jene, die mir dir gezogen sind, werden sich von dir trennen. Willst du trotzdem Mensch werden?“

Und wieder antwortet der Sohn: Ja Vater, gerade deshalb will ich Mensch werden!“

Und wieder setzt der Vater entgegen: „Am Ende wirst du von fast allen verlassen sein, sie werden dich vor Gericht stellen und zum Tod verurteilen. Unter großen Schmerzen wirst du das Kreuz tragen und an diesem Kreuz sterben!  Willst Du dies alles auf dich nehmen?“

Und der Sohn erwidert: „Ja Vater, aus Liebe zu unseren Menschen will ich dies alles auf mich nehmen!“

Und aus dieser Entscheidung, vor allen Zeiten getroffen im Herzen Gottes, tritt Gott ein in unsere Welt, in unsere Zeit. 

In dieser kleinen Kammer im Haus Mariens in Nazareth berühren sich plötzlich Zeit und Ewigkeit. Der ewige Gott wird Mensch in unserer Zeit. Der ewige Gott  wird kleines, hilfloses Kind im Schoß Mariens. 

Er hat seinen Platz bei und mit den Menschen gefunden. 

Und er will seinen Platz auch in unserem Herzen finden. Er will in uns wohnen, damit wir ihn in unserer Mitte haben. 

Und in diesem Sinn dürfen wir auch die Warnung des Angelus Silesius verstehen, wenn er angesichts des Wunders von Weihnachten sagt: „Und wäre Christus tausendmal in Betlehem geboren und nicht in deinem Herz, auf ewig wärest du verloren!“

Lassen wir Gott ein, ihn der aus der Ewigkeit auch in unsere Zeit kommen will. Lassen wir es zu, daß auch in unserem Herzen sich Zeit und Ewigkeit berühren können! Und machen wir uns damit auf den Weg, hin zur Krippe. Nicht allein in einer falschen Nostalgie, wie idyllisch dies vor 2000 Jahren gewesen sein muß, sondern in dem Bewußtsein, daß hier und heute, in jedem einzelnen von uns, das Betlehem von 1999 entstehen muß!