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12. Sonntag im Jahreskreis A - 25. Juni 2023

Angesichts der ersten Lesung heute, von diesem einsamen Rufer und Warner, vom Propheten Jeremia, der auf Missstände und drohendes Unheil hinweist und dafür Spott, Hass und Verfolgung erntet, muss ich immer an jene Erzählung denken, die Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI. an den Beginn seiner »Einführung ins Christentum« gestellt hat. Es ist die Gleichniserzählung Kierkegaards über den Clown und das brennende Dorf.

Ein Reisezirkus war in Dänemark in Brand geraten. Der Direktor schickte daraufhin den Clown, der schon zur Vorstellung gerüstet war, in das benachbarte Dorf, um Hilfe zu holen, zumal die Gefahr bestand, dass über die abgeernteten, ausgetrockneten Felder das Feuer auch auf das Dorf übergreifen würde. Der Clown eilte in das Dorf und bat die Bewohner, sie möchten eiligst zu dem brennenden Zirkus kommen und löschen helfen. Aber die Dörfler hielten das Geschrei des Clowns lediglich für einen ausgezeichneten Werbetrick, um sie möglichst zahlreich in die Vorstellung zu locken; sie applaudierten und lachten bis zu Tränen. Dem Clown war mehr zum Weinen als zum Lachen zumute; er versuchte vergebens, die Menschen zu beschwören, ihnen klarzumachen, dies sei keine Verstellung, kein Trick, es sei bitterer Ernst, es brenne wirklich. Sein Flehen steigerte nur das Gelächter, man fand, er spiele seine Rolle ausgezeichnet – bis schließlich in der Tat das Feuer auf das Dorf übergegriffen hatte und jede Hilfe zu spät kam, so daß Dorf und Zirkus gleichermaßen verbrannten.

In meinen nunmehr fast 25 Priesterjahren ist mir diese Realität immer wieder zu Bewusstsein gekommen. Vielleicht stehe ich oftmals da wie der Clown im Gleichnis. Mit seltsamen Gewändern, fernab von der heutigen Lebenswirklichkeit der Menschen, vielleicht mit Warnungen und Drohungen, welche nicht oder nicht mehr ernst genommen werden. 

Aber es geht um viel mehr. Es geht genau darum, was uns Paulus heute mit den Worten des Römerbriefes sagte. Es geht nicht allein um Warnungen oder Mahnungen, nicht um einen Vorschriftenkatalog, möge er sich auf die 10 Gebote beschränken, möge er alle 613 Vorschriften des Alten Bundes in sich tragen, oder aufgefüllt sein durch jene Gesetzmäßigkeiten, die wir Menschen uns tagtäglich auferlegen. Es geht um viel mehr. Es geht um die Gnade Gottes. Es geht um die Gabe, die durch die Gnadentat des einen Menschen Jesus Christus bewirkt worden ist. Es geht darum, den Menschen einerseits davon zu erzählen. In der Verkündigung, in der Auslegung der Heiligen Schrift, im Bemühen, die Lehre der Kirche den Menschen plausibel zu machen, abzukehren von jenen selbstgezimmerten Gottesbildern und egoistisch gefärbten Halbwahrheiten, welche über alle Zeiten dieser Welt den Blick der Menschen von diesem einen und wahren Gott abgelenkt haben. In der Feier der Sakramente, nicht als Schikanen auf dem Lebensweg des Einzelnen, sondern als Berührungspunkte mit Gottes Barmherzigkeit, Menschenfreundlichkeit und Liebe. 

Es geht um jene zwei Akte des Bekenntnisses, von denen unser Herr Jesus Christus heute im Evangelium gesprochen hat. Um die Kraft, sich über alle Menschenfurcht hinweg freimütig zu Christus zu bekennen. Und um den Mut, anderen Menschen zu diesem Bekenntnis zu verhelfen. 

Wenn ich heute Dank sage für diese 25 Priesterjahre, die nun hinter mir liegen, so muss ich ein wenig über diese Zeit hinausblicken. 

Als vor drei Wochen unser Wiener Erzbischof alle Silberjubilare zu einer Feier einlud, und wir aufgefordert waren, unseren Berufungsweg, unsere Liebesgeschichte mit Gott zu erzählen, gab es bei fast allen Mitbrüdern sehr ähnliche Punkte. Von klein auf regelmäßig mit den Eltern in der Kirche, Ministrant, im Pfarrhof mehr daheim als zu Hause, der Pfarrer fast als Ersatzvater oder - Onkel. 

Als ich dann an die Reihe kam, musste ich mit all diesen Klischees aufräumen. Meine Eltern sind fast nie mit mir in die Kirche gegangen. Der Sonntagvormittag war für meinen Vater und mich die willkommene Gelegenheit, Museen zu besuchen, für meine Mutter die großartige Chance, zu kochen, ohne von uns gestört zu werden. 

Die Palmkätzchenweihe und die Adventkranzweihe, die beiden »Wiener Sakramente« also, haben wir mitgemacht. Natürlich nur die Weihe der Palmzweige und die Prozession, nicht die Messe. Brauchten wir nicht, denn die Zweige waren ja dann schon gesegnet. Vielleicht hie und da eine Seelenmesse für bekannte Verstorbene. Aber das war es dann schon. 

Ich habe als Kind und Jugendlicher nie ministriert. Ich war nur ganz kurz bei der Jungschar. Als ich dann fast im Kirchturm abgestürzt war, nachdem unser Jungscharleiter mit uns zu den Glocken kletterte, war mein Interesse sehr endenwollend. Ich war nicht bei den Pfadfindern, bei keiner Jugendgruppe, sehr sehr selten bei der Sonntagsmesse, obwohl die Leopoldskirche im gleichen Häuserblock wie unsere Wohnung lag. 

Und wenn Mitbrüder von mir berichten, dass sie schon sehr früh den Wunsch hatten, Priester zu werden, dann kann ich nur sagen, dass ich – hätte mich jemand als Teenager darauf angesprochen – höchstens mit dem »Autofahrergruß« reagiert hätte. 

Ich habe die Esoterikszene für einige Jahre als meine Heimat betrachtet und bin zu Wiedergeburtsseminaren auf die schwäbische Alb gefahren.
Die offenen Fragen, die in mir immer drängender wurden, fanden plötzlich eine Antwort in Medjugorje. Und ein Weg tat sich auf, der 23 Jahre lang in meinem Leben sicher die letzte Option gewesen war. 

Ich kann heute mit tiefer Dankbarkeit im Herzen sagen, dass mein Weg seit 1986 immer und ausschließlich von großartigen Priesterpersönlichkeiten begleitet wurde. Gott hat auf diese Weise seine Gnade an mir erwiesen, ganz still und leise, aber im Rückblick doch so deutlich und auffallend. Ich habe mit Priestern nie schlechte Erfahrungen machen müssen, obwohl unter jenen, die mich begleiteten, auch Personen waren, die im Rückblick angeklagt und unrechter Taten bezichtigt wurden. Ich bin Gott dankbar, dass ich trotz aller menschlicher Schwäche dieses Großartige des Priesterseins an realen Personen kennenlernen durfte. 

Ich bin dankbar für die Zeiten des Studiums in Heiligenkreuz, für meine Vorsteher in den Priesterseminaren und Studienhäusern. Im Ganzen habe ich auf meinem Ausbildungsweg sechs Regenten »verbraucht«. 

Ich bin dankbar für die Lehrzeit als Diakon und Kaplan, die nicht immer ganz einfach war. Ich bin ebenso dankbar für die 15 Jahre als Pfarrer, parallel dazu 8 Jahre als Spiritual im Leopoldinum. Und nunmehr darf ich in das 8. Jahr als Direktor unseres Priesterseminars in Heiligenkreuz eintreten, dankbar für all das Gute, das mir durch die Seminaristen und meine Mitbrüder zuteil wird. 

Es wäre kein realistischer Blick, würde ich nur schöne Momente sehen wollen und die dunklen Zeiten ausblenden. Doch es braucht auch diese Dunkelheit, um zu lernen, um zu reifen, um sich selbst besser kennenzulernen. Vor allem auch, um eine Liebe zu lernen, die bemüht ist, mit den Augen des Herrn auf das Bleibende und ewige zu schauen, nicht auf den Alltagsfehler des einzelnen Menschen. 

Stefan Zweig sagte: Jeder Schatten ist im letzten doch auch Kind des Lichts, und nur wer Helles und Dunkles, Krieg und Frieden, Aufstieg und Niedergang erfahren, nur der hat wahrhaft gelebt.

Über die Jahre durfte ich erkennen, was uns der Herr heute im Evangelium sagt. Nichts passiert ohne den Willen unseres himmlischen Vaters. 

Dass ich meinen Weg fortsetzen kann – wie ich es in jeder Heiligen Messe vor der Kommunion bete - »dass ich niemals von Dir getrennt werde« - das erbitte ich heute. Und Euch alle, denen ich für Eure Freundschaft, für Eure Mitbrüderlichkeit, für Euer Hiersein danke, bitte ich ums Gebet. 

Amen.