Pfingstmontag, 9. Juni 2025 - Maria, Urbild und Mutter der Kirche
Es gibt vieles hier in Heiligenkreuz zu betrachten. Das altehrwürdige Stift, die Hochschule, die großartige Ausgestaltung der Kreuzkirche, unsere Seminarkirche, die Katharinenkapelle, in der wir gerade gemeinsam feiern. Und vieles mehr.
Nur eines finden wir in Heiligenkreuz nicht: Eine Verkehrsampel. Ich bin aber überzeugt, dass sich jeder etwas darunter vorstellen kann. (Für uns Zelebranten gibt es eine kleine Verkehrsampel draußen bei der Sakristei. Damit wir rechtzeitig zu Sendebeginn in die Kirche einziehen und mit der Hl. Messe anfangen.)
Wenn wir beim roten Licht der Ampel stehen bleiben müssen, warten wir sehnsüchtig auf das Aufleuchten der grünen Farbe. Und diese Sehnsucht steigert sich, wenn als Zwischenfarbe Gelb erscheint.
Sie werden sich jetzt vielleicht wundern, warum ich über eine Ampel predige?
Vergleichen wir die Farben der Ampel mit den liturgischen Farben. Das Rot von Pfingsten, die Farbe des Heiligen Geistes, wurde heute durch das Gelb oder Weiß abgelöst, weil wir die allerseligste Jungfrau Maria als Urbild und Mutter der Kirche ehren. Und dann geht die Farbe in jene des Jahreskreises über. Grün.
An der Ampel bedeutet Grün »Freie Fahrt«. Ähnlich können wir das Grün als Farbe deuten. Es begleitet uns nun über die Monate des Sommers und Herbstes bis zum Beginn des neuen Kirchenjahres, zum Advent. Gewisse Feste natürlich ausgenommen, wo wir Weiß oder Rot verwenden.
Gibt es aber hier eine Analogie zwischen den Farben der Ampel und den liturgischen Zeiten? Ich behaupte Ja!
Wir waren gestern eingeladen, am Pfingstfest nochmals innezuhalten. 50 Tage nach Ostern, nach der Feier der Auferstehung des Herrn, 9 Tage nach seiner Himmelfahrt, haben wir den Geburtstag der Kirche gefeiert. In der roten Farbe als Zeichen des Heiligen Geistes. Damit ist zwar der Osterfestkreis abgeschlossen, doch für uns fängt es erst richtig an!
Nach diesem Innehalten am Ende der 50-tägigen Osterzeit sind wir aufgerufen in unserem christlichen Leben, in unserem kirchlichen Leben, »voll durchzustarten«. Die Ampel der Kirche wird auf Grün gestellt. Es wäre fatal, am Pfingsttag verweilen zu wollen. So wie auch die Apostel bei der Verklärung des Herrn nicht einfach auf dem Berg bei ihm bleiben konnten. Es wäre tragisch, würde die Festesfreude von Ostern mit dem Abschluss der Osterzeit gleichsam archiviert, in die Schublade liturgischer Emotionen gelegt, ohne Wirkung auf unser weiteres Leben.
Die Ampel des Kirchenjahres zeigt nun auf Grün. Wir sind aufgerufen, loszufahren und all die großen Gnadengeschenke Gottes, die Freude über das Leben, das uns Christus geschenkt hat, sozusagen als »Treibstoff« mitzunehmen. Wir brauchen dieses Antriebsmittel. Wir benötigen die sieben Gaben des Heiligen Geistes. Die Gabe der Weisheit, des Rates und der Einsicht, die Gabe der Erkenntnis, die Gabe der Stärke, der Frömmigkeit und der Gottesfurcht. All diese sollen uns helfen, uns der Liebe Gottes und unserer Mitmenschen bewusster zu werden, uns besser am Glauben zu orientieren, aus dem Licht des Glaubens unsere Entscheidungen zu treffen und mutig einzutreten für Gott und seine Kirche.
Die Ampel der Kirche schaltet auf grün. Und heute dürfen wir auf die »Zwischenfarbe« blicken, die für uns von großer Bedeutung ist.
Denn so einfach ist es ja nicht, wirklich aus dem Glauben heraus zu leben. Auch wenn wir uns als vom Hl. Geist Gesalbte wissen und verstehen, auch wenn uns die Gebote Gottes klar sind, wenn wir unseren Glauben an den Auferstandenen in den Feiern der letzten Wochen gestärkt haben. Wir bleiben Menschen, mit unseren Fehlern, Schwächen und sündhaften Neigungen. Wir sind Menschen, die oftmals auf das Eigene schauen und letztlich Gott vergessen. Wir sind Menschen wie Adam und Eva in dieser Grundgeschichte aus dem Buch Genesis, die den Einflüsterungen des Bösen folgen und Gott den Rücken zukehren.
Aber in genau diesen Momenten erscheint der barmherzige Gott. Im Hinblick auf Heil und Erlösung setzt er Feindschaft zwischen dem Bösen und der Frau, in der wir die allerseligste Jungfrau Maria erblicken können. Und wir dürfen dem heiligen Papst Paul VI. unendlich dankbar sein, dass er im Rahmen des II. Vatikanischen Konzils am 21. November 1964 Maria zur »Mutter der Kirche und des ganzen christlichen Volkes, der Gläubigen und der Hirten, die sie ihre allerliebste Mutter nennen« erklärt hat. Und mit dem Heiligen Jahr 1975 wurde dann dieses Messformular verfasst, das wir heute feiern dürfen.
Dort wo wir in die menschliche Schwäche zurückfallen, dürfen wir uns unserer Mutter, der Mutter der Kirche anvertrauen, dass sie uns an ihrer mütterlichen Hand nimmt und auf den rechten Weg zurück führt.
Denn Sie kann uns immer neu zeigen, wie wir unseren Herrn Jesus Christus in unserem Leben aufnehmen sollen. Da geht es nicht um menschliche Leistung, sondern um die demütige Haltung des Empfangens. Wir dürfen uns beschenken lassen, so wie sie mit ihrem demütigen Ja zum Willen Gottes das ewige Wort empfing und den Herrn, der der Kirche ihren Ursprung gegeben hat, geboren hat.
Wir dürfen in den Momenten der Traurigkeit, der Verlassenheit, der menschlichen Rückschläge und Misserfolge auf sie, die Mutter der Schmerzen schauen, die unter dem Kreuz ausgeharrt hat. Und hier, in dieser schicksalhaften Stunde des Herrn und der ganzen Weltgeschichte, hat er uns über seinen Lieblingsjünger Maria zur Mutter gegeben.
Und mit ihr dürfen wir immer neu um die Gaben des Heiligen Geistes für unser Leben und für die Kirche im Gesamt beten, wie sie es am Pfingstfest mit den Jüngern getan hat. Ihre Fürsprache dürfen wir immer neu erbitten in allen Situationen unseres Lebens, besonders in jenen, die wir alleine niemals meistern könnten.
Die Ampel der Kirche wird auf Grün geschaltet. Vom Innehalten am Pfingstfest und der Freude über den Geburtstag der Kirche hin zur Bewährung unseres christlichen Lebens im Alltag des 21. Jahrhunderts. Und Maria als Mutter der Kirche und unsere Mutter soll uns an der Hand nehmen und uns auf diesem Weg begleiten.
Amen.