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29. Sonntag im Jahreskreis C - 16. Oktober 2022

Die Gleichnisse Jesu fordern uns heraus. Das mag auch der Grund dafür sein, dass Jesus zu ungewöhnlichen, oft überraschenden, ja sogar zu anstößigen Bildern greift, um seine Botschaft vom Reich Gottes deutlich zu machen. Dies gilt insbesondere für das Gleichnis vom ungerechten Richter und der beharrlichen Witwe.

Wer hat sich nicht schon ungerecht behandelt gefühlt, vielleicht sogar ungerecht beurteilt oder verurteilt fühlen müssen. Das beginnt meist schon in der Schule, wo dem einen Schüler der Einblick fehlt, wieso sein Nachbar eine bessere Note bekommen hat. Das geht weiter bei den Beurteilungen am Arbeitsplatz, in der Familie, vielleicht sogar vor Gericht, wo doch eine Mitschuld an einem Verkehrsunfall ausgesprochen wird, obwohl man sich klar im Recht gefühlt hat. Wo man trotz jahrelangen Terrors einen Mieter nicht los wird und der Richter eindeutig für den Schuldigen Partei ergreift. 

 

Trotzdem, obwohl dieses Gleichnis einen solch tiefen Sitz in unserem Leben hat, ist es irgendwie sperrig. Doch, was Jesus uns sagen will, sollte uns geradezu ins Ohr springen. 

Jesus hatte Zuhörer aus allen Schichten, von vornehmsten Vertretern der Priesterschaft des Tempels in Jerusalem bis zu Zöllnern, die wegen ihrer Zusammenarbeit mit der römischen Besatzungsmacht auch bei den einfachen Leuten nicht gut angesehen waren. 

Die Pharisäer und Schriftgelehrten werden das Gleichnis vom ungerechten Richter mit gemischten Gefühlen gehört haben. Bei den kleinen Leuten aber, erst recht bei den aus der Gesellschaft ausgeschlossenen Sündern, konnte Jesus mit Einverständnis rechnen: Das war genau das, was sie auf Schritt und Tritt erfahren mussten. Das Recht stand oft genug auf der Seite der Reichen und Mächtigen. „Die da oben können sich’s richten“, hören wir ja auch heute noch. Zumindest können sich die Reichen den besseren Anwalt leisten...

 

Was steckt bei diesem Gleichnis dahinter? Wie soll dieses Gleichnis nun auf das Gebet ohne Unterlass, das im ersten Vers gefordert wird, angewendet werden? Ist Gott etwa der Ungerechte, der sich nur mühsam umstimmen lässt? Ist er ein bösartiger Richter, der nur darauf wartet, mit einem mehr oder weniger grausamen Urteil dreinzufahren? Welche Archetypen einer Angstreligiösität stoßen uns hier auf, von denen wir uns schon zu gerne verabschiedet hätten?

Schon die frühe Kirche ist über dieses Gleichnis gestolpert. 

Genau das aber hat Jesus offenbar gewollt. Die Zuhörer sollten erst einmal über ihre gewohnten Urteile stolpern; sie sollten ihre eigenen Maßstäbe überprüfen und ihre eigenen Vorurteile bedenken. Gerade in sachen Religion sind ja viele Gewohnheiten zum Gesetz gemacht worden (und wir brauchen uns gar nicht ausnehmen – auch heute gibt es noch diese Taktik: Wenn man nicht genau dieses Gebet wörtlich und genau um 6, 12 und 18 Uhr betet, dann kommt man nicht in den Himmel!)

Eines ist klar: Erst wenn wir die ausgetretenen Pfade verlassen, bekommt das Evangelium eine Chance. 

Dabei entbehrt das Gleichnis nicht einer gewissen Ironie: Ausgerechnet der Mächtigste im Dort, vor dem alle, wenn nicht Respekt, so doch Angst haben, steht am Ende als Verlierer da. Die arme Witwe, in der Bibel das Symbol des benachteiligten Menschen schlechthin, geht als Siegerin aus der Auseinandersetzung hervor. Unwillkürlich werden wir an das Magnifikat erinnert: Maria singt voll Freude: „Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen!“

In diesem Zusammenhang ist auch die Aufforderung Jesu zum beharrlichen Gebet zu sehen. Nicht den ungerechten Gott umzustimmen, sondern im Vertrauen, dass Gott auf die Niedrigen schaut, ist der Beweggrund dieses beharrlichen Gebetes.

Mit drastischen Bildern wurde uns der Aufruf zur Beharrlichkeit im Gebet schon bei Mose gezeigt. Die Arme mußte er erhoben halten, die Gebetshaltung weiter pflegen bis zum Sonnenuntergang. Dann war sein Gebet kraftvoll und der Sieg auf der Seite der Israeliten. 

Beharrlichkeit hören wir als Aufruf auch bei Paulus! Eine Beharrlichkeit, die besonders Priestern ins Stammbuch geschrieben werden sollte: Verkünde das Wort, tritt auf, ob gelegen oder ungelegen, überführe, weise zurecht, ermahne,
in aller Geduld und Belehrung!

Lassen wir nicht nach in unserem Gebet, das zugleich auch ein Vertrauensbeweis unserem Herrn und Gott gegenüber ist. 

Amen.